Kündigung in der Probezeit kostet Geld, Zeit und Nerven!
Alteingesessene Kollegen machen gern Scherze mit Neuen, den „Newbies“. In der Versicherungsbranche, in der ich meine Ausbildung gemacht habe, war es üblich, die neuen Azubis in die Nachbarabteilung zu schicken, um den „Abrechnungsschlüssel“ zu holen. Das ist mir in den 80ern auch passiert. Gutgläubig lief ich los, bekam einen als dicken Schlüssel gearbeiteten Korkenzieher in die Hand gedrückt, den ich meinem Ausbilder übergeben habe. Die Reaktion unter den Kollegen waren breites Grinsen und schallendes Gelächter, denn der Abrechnungsschlüssel war eine Zahl in einer Datenbank, die eine bestimmte Bearbeitung auslöste, zum Beispiel bei einem Neuantrag. Etwas beleidigt betrachtete ich die Aufträge meiner Kollegen ab diesem Zeitpunkt mit einer gewissen Vorsicht.
Gegen ein liebevolles Hochnehmen ist wenig zu sagen. Jede Gruppe hat ihre Rituale, um Neuankömmlinge aufzunehmen. Schwierig wird es, wenn diese Rituale mit Gewalt oder Alkoholmissbrauch bis zum Umfallen verbunden sind.
In den meisten Betrieben oder Büros beschränkt sich das Willkommensritual bestenfalls auf den Blumenstrauß, den die oder der Newbie auf dem Schreibtisch vorfindet. Dann gibt es eine schnelle Vorstellungsrunde mit allen Kolleginnen und Kollegen, und dann geht auch schon die Einarbeitung los. In der Anfangszeit sind alle Kollegen freundlich oder zumindest höflich. Nach wenigen Wochen oder Monaten kann diese Höflichkeit umschlagen und die Gruppenleitung wundert sich, wieso auf einmal Streit und Ärger an der Tagesordnung sind. Schlagen die Wellen zu hoch und die neue Mitarbeiterin fühlt sich nicht mehr wohl, dann kündigt sie oder er noch in der Probezeit. Die Kosten für die Mitarbeitersuche und Rekrutierung fallen erneut an, die Arbeitssituation der verbleibenden Kollegen verschlechtert sich wieder, die Führungskraft wird mit der Kompetenz bei der Personalauswahl hinterfragt und alle sind unzufrieden. Gerade in Branchen mit einem Mangel an qualifizierten Mitarbeitenden, wie der Pflege, ist es wichtig, Personal anzuwerben, erfolgreich durch die Probezeit zu bringen und dauerhaft zu halten.
Wichtiger als eine fachliche ist in der Probezeit die persönliche Begleitung durch einen Mentor, zu dem die „Newbie“ Vertrauen hat und zu der sie mit allen persönlichen Belangen kommen kann. Viele Befindlichkeiten lassen sich durch ein gemeinsames Nachvollziehen aus der Welt schaffen, ohne dass größere Konflikte entstehen müssen.
Neue Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter sind in einer Ausnahmesituation. Die Welt, in der sie arbeiten, ist ihnen noch fremd. Die Atmosphäre ist anders als bisher, der Arbeitsplatz sieht anders aus, die Abläufe sind ungewohnt und auch die Menschen sind neu. Das öffnet die Wahrnehmung beim Newbie. Der Wunsch, alles richtig zu machen, lässt sie oder ihn jedes Wort der Kollegen auf die Goldwaage legen.
„Wie hat er das jetzt gemeint? Mag sie mich nicht? Habe ich vielleicht etwas falsch gemacht?“ Dieser innere Dialog führt oft zu Fehlinterpretationen des Verhaltens der anderen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Jeder hat Eigenheiten. Der Kollege, der kurz vor der Rente steht und penibel darauf besteht, dass die Textmarker mit der schwarzen Seite nach unten auf den Schreibtisch gestellt werden, macht erst einmal einen merkwürdigen Eindruck. Auf der anderen Seite hat vielleicht gerade dieser Kollege ein großes Fachwissen und ist vielleicht gut vernetzt, schreckt aber durch sein Verhalten erst einmal ab. Eine Mentorin kann durch Gespräche und Begleitung eine Irritation bei einer neuen Mitarbeiterin auffangen und dafür sorgen, dass gar nicht erst ein Konflikt entsteht.
Das gilt auch für die ungeschriebenen Gesetze, die „do`s and dont`s“, die jede Gruppe hat, und die sich oft aus den individuellen Rollen der Gruppenteilnehmer ergeben. Wer hat welche Aufgabe und Kompetenzen? Welche Themen sind tabu? Gibt es im Pausenraum im Kühlschrank Bereiche, die zugeteilt sind? Was passiert an Geburtstagen? Tausend kleine Fettnäpfchen warten in den ersten Wochen auf neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die auch durch Begleitung vermieden werden können. Unangenehme Situationen können Menschen beschämen, demotivieren und zur Kündigung in der Probezeit veranlassen. Aus diesem Grund ist es wichtig, sie an Fettnäpfchen vorbei zu führen.
Ein erfolgreiches Team weiß, wie die Entwicklung einer Gruppe grundsätzlich abläuft und wie man neue Kollegen integrieren kann. Manchmal ist Hilfe von außen sinnvoll, um als Führungskraft die eigene Position zu stärken und ein Team zum Erfolg zu führen.
Jörg Rohrbach
Coach für Führungskräfte – jr@denkmanager.de
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